Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn wir von unserem Leben sprechen, verwenden wir gerne Begriffe, die mit Bewegung zu tun haben. Man spricht dann von Unterwegs-Sein, vom Lebenslauf oder Lebensweg und vom stets neuen Aufbrechen. Früher nannte man es häufig auch Wanderschaft. So kennen wir es auch im Lied: „Wir sind nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh‘ mit mancherlei Beschwerden der ewigen Heimat zu.“
Auch die Kirche hat diese Bilder für sich wiederentdeckt. Papst Franziskus hat deshalb mit allen Gläubigen einen synodalen Weg begonnen. Das Wort Synode heißt: gemeinsam unterwegs sein oder miteinander einen Weg zurücklegen. Sich mit anderen auf den Weg machen, ist ein Bild für das Leben und den Glauben. Als Menschheit und besonders als Kirche sind wir gemeinsam unterwegs – auch mit „mancherlei Beschwerden“. Von denen gibt es im Moment wahrlich viele, aber genauso Freude, Zuversicht und Gottvertrauen.
Am 1. Adventssonntag machen wir uns auf und schauen auf Gott, der uns in der Geburt Jesu Lichtblicke für unser Leben schenkt. Ich möchte Euch heuer einladen, den Advent als einen Pfad der Hoffnung zu sehen: als einen Pfad, der die vielen Irrwege des Krieges, des Hasses und des Misstrauens wahrnimmt und uns dennoch Gott und unseren Mitmenschen näherbringt.
Pfad der Hoffnung auf Heimat
Zuerst führe uns der Pfad der Hoffnung zur Freude über die Geburt Jesu. Dabei bestärke er uns in dem Vertrauen, im Unterwegs-Sein des Lebens auch Heimat finden zu können. Jeder Mensch braucht einen Ort, an dem er sich zu Hause fühlt und wo Geborgenheit spürbar wird. Das kann die eigene Familie sein, in der ich akzeptiert bin, aber zugleich auch herausgefordert werde, zu wachsen und mich zu entwickeln. Freundschaften gehören ebenso dazu wie ein Beruf, der Unterhalt und Sinn stiftet. Aber auch der Glaube, eine geistliche Gemeinschaft oder die Pfarrgemeinde sind Orte, wo Menschen sagen: Hier bin ich daheim.
Im Advent wird uns jedoch bewusst, dass diese Sehnsucht nach Heimat auch Gott selbst betrifft. Nicht nur wir möchten bei Gott Heimat finden, sondern auch Gott bei uns. Durch die Geburt Jesu wird Gott in unserer Welt heimisch. Wie der Knecht im Evangelium (vgl. Mk 13,33-37) warten auch wir darauf, dass Gott zu uns und in unser Leben kommt. Jede Pfarrei, jedes Haus, jede Familie, jeder Mensch sind mögliche Heimstätten Gottes. In der Menschwerdung Gottes wird wahr, was der hl. Augustinus so ausdrückt: Gott sorgt sich in seiner Liebe um jeden Menschen so, als gäbe es nur einen einzigen (vgl. Conf. III 11,19). Eine starke Ansage! Kann ich das glauben und darauf vertrauen? Ist Gott auch in meinem Leben daheim?
Pfad der Hoffnung zum Mitmenschen
Die Sehnsucht nach Heimat, die in unseren Herzen schlummert, soll uns auch zur Solidarität ermutigen mit den Menschen, die kein Zuhause haben: die Flüchtlinge und Vertriebenen, die Kranken und Alten, die Armen und all jene, die im geistigen Sinn obdachlos sind und sich nirgends zu Hause fühlen können. Wenn Gott mitten unter uns Heimat findet, dürfen wir nicht vergessen, ihn ebenso „draußen“ zu suchen. Draußen heißt außerhalb der Institution Kirche und des Bekanntenkreises. Draußen heißt bei den Armen, Kranken, Verzweifelten und überall dort, wo man Gott nicht vermuten würde. Der Advent möchte ein Pfad der Hoffnung sein, weil der Blick auf das Kommen des Kindes von Bethlehem unsere Herzen für die Not und die Sorgen der Menschen weit werden lässt.
Abschließend hoffe ich mit Euch, dass sich im Advent viele Pfade der Hoffnung auftun. Ihr könnt darauf vertrauen, dass Gott auch in unserer verwundeten Welt und in Eurem Leben immer neu Heimat findet. So wünsche ich Euch und Euren Familien von Herzen einen gesegneten Advent.
+Benno Elbs
Apostolischer Administrator
Es wird gebeten, dieses Hirtenwort in allen Gottesdiensten des 1. Adventssonntags zu verlesen. Vielen Dank!