Vor 25 Jahren, am 2. Dezember 1997, hat der heiliggesprochene Papst Johannes Paul II. durch die Apostolische Konstitution “Ad satius consulendum” das Erzbistum Vaduz errichtet und mich gleichzeitig zu dessen erstem Oberhirten ernannt. Die feierliche Amtseinsetzung erfolgte sodann am 21. Dezember – bekanntlich unter etwas widrigen und durchaus auch beschämenden äusseren Umständen. Das ist inzwischen Geschichte, selbst wenn dieses Ereignis in einigen Kreisen noch immer mit einer gewissen Regelmässigkeit zu reden gibt. Offenbar soll es aus leicht ersichtlichen Gründen medienwirksam bleiben. Für viele, vor allem für die jüngere Generation in unserem Land, der ich bei verschiedenen Gelegenheiten, vornehmlich bei Firmungen, begegnen durfte und darf, ist dies hingegen kein Thema.
Im Hinblick auf das näher rückende Ende meiner Amtszeit als Erzbischof von Vaduz erfüllt mich tiefe Dankbarkeit für alle übernatürlichen Gnaden und menschlichen Wohltaten, die mir unverdientermassen zuteil wurden. Beleidigungen und Ungerechtigkeiten bleiben wohl bei den wenigsten nicht aus, sie verhelfen jedoch dazu, die Tugend der Demut zu üben. Dies gilt vor allem auch für den bischöflichen Dienst.
Nun wird in jüngster Zeit mit einer fast schon peinlichen Penetranz und Insistenz gefordert, dass von Seiten des Erzbistums Transparenz bezüglich der Zukunft unserer Erzdiözese sowohl in institutionelles als auch personeller Hinsicht gezeigt wird. Dazu möchte ich hier Stellung nehmen:
1. Aufgrund unseres christlichen Glaubens weiss ich, dass wir – heilsgeschichtlich betrachtet – in der Endzeit leben und somit in gebotener Wachsamkeit die Wiederkunft Jesu Christi am Weltende erwarten; dies zu bedenken, gibt uns gerade die kommende Adventszeit erneut Gelegenheit. – Hingegen weiss ich wie wir alle nicht, wann der Herr wiederkommen wird; wir kennen weder den Tag noch die Stunde, an dem er erscheinen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten. Dass dies der Fall sein wird, bezeugt die Heilige Schrift deutlich.
2. In Anbetracht der Folgen der Erbsünde weiss ich, dass ich wie wir alle ein sterblicher Mensch bin und dass jeder meiner Erdentage der letzte sein kann. – Hingegen weiss ich nicht, wann meine letzte Stunde in dieser Weltzeit schlägt und ich sodann vor dem ewigen Richter stehen werde, um Rechenschaft über mein Tun und Lassen abzulegen. Es ist für den Menschen ein unverfügbarer Zeitpunkt.
3. In Kenntnis der aktuellen kirchlichen Rechtslage weiss ich, dass ich gebeten bin, mit Vollendung meines 75. Lebensjahres dem Heiligen Vater meinen Verzicht auf das Amt des Erzbischofs von Vaduz anzubieten (vgl. CIC can. 401 § 1). – Hingegen weiss ich nicht, ob ich dieses Lebensdatum erreiche, ob in absehbarer Zukunft noch immer die entsprechende kanonische Festlegung der Amtsaltersgrenze in Geltung ist und ob der Papst – wer auch immer dann es sei – die Demission annehmen wird.
4. Bei realistischer Einschätzung weiss ich, dass unser Erzbistum als stabile, personunabhängige Teilkirche errichtet wurde und dass dies nicht in Frage gestellt ist. – Hingegen weiss ich nicht, ob der Apostolische Stuhl, näherhin der Papst, je etwas anderes verfügen wird; sicher ist es ausschliesslich Sache der höchsten Autorität, Teilkirchen zu errichten (vgl. CIC can. 373).
5. Im Bewusstsein meiner Verantwortung weiss ich, wozu ich nur schon durch mein Taufgelöbnis und sodann durch meine Weiheversprechen, insbesondere bei meiner Bischofskonsekration, verpflichtet bin (vgl. u.a. meinen Hirtenbrief “Von Anfang an” zur diesjährigen Fastenzeit) und dass ich mich stets mit der Gnade Gottes nach Kräften bemüht habe, meinen Versprechen treu zu bleiben. – Hingegen weiss ich nicht, wie Gott mich dereinst diesbezüglich beurteilen und richten wird, wobei ich jedoch auf seine unermessliche Barmherzigkeit vertraue.
6. In demütigem Eingeständnis weiss ich, dass ich nie allen Ansprüchen und Anforderungen, wie sie an das bischöfliche Hirtenamt gestellt werden, gerecht werden konnte oder kann, auch wenn ich bestrebt war und bin, durch lehramtstreue Glaubensverkündigung (Predigten, Vorträge, Katechese, Hirtenbriefe usw.), durch traditionsgebundene Liturgie und christusförmige Diakonie dem Heil der Seelen zu dienen. – Hingegen weiss ich nicht, ob dies von den meiner Hirtensorge Anvertrauten verstanden wird oder ob dies je einem Nachfolger der Apostel gelingt, selbst wenn er auf das unterstützende Gebet und das bereitwillige Mitwirken vieler zählen darf.
Diese völlig unspektakuläre und für Neugierige unergiebige Botschaft zur Frage der Transparenz will aufzeigen, dass von einem realistischen und zugleich einem geistlichen Standpunkt aus gesehen Unwägbares, Unvorhersehbares und Ungewisses zu unserem menschlichen Leben gehört. Sie hilft uns aber auch auf die göttliche Vorsehung hin transparent zu werden. Dieser empfehle ich in Vertrauen auf Maria, der Mutter der Kirche, und auf die heiligen Patrone in unseren Pfarreien und religiösen Gemeinschaften Gegenwart und Zukunft unseres Erzbistums.
Schellenberg, 17. November 2022
Fest unseres hl. Kathedralpatrons Florinus
✠ Wolfgang Haas
Erzbischof von Vaduz